(1) Topalov,Veselin (2805) - Anand,Viswanathan (2787) [D87]
World Chess Championship Sofia/Bulgaria (1), 24.04.2010
[GM Klaus Bischoff & IM Erik Zude]



1.d4
Nach dem Verkehrschaos aufgrund der Vulkanstaubwolke, nach Anands 40-stündiger Odyssee und der Terminverschiebung sind nicht nur alle Schachfreunde, sondern bestimmt auch die Spieler froh, dass endlich die Partien beginnen. Die ersten Züge kommen überraschend zügig ...

1...Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5
Eine kleine Überraschung ist auch die Eröffnungswahl. Anand hat Grünfeld-Indisch seit vielen Jahren im Repertoire. In letzter Zeit hat er aber weit öfter Halb-Slawisch oder Damenindisch gespielt.

4.cxd5 Sxd5 5.e4 Sxc3 6.bxc3 Lg7 7.Lc4 0-0 8.Se2 c5 9.0-0 Sc6 10.Le3 Sa5
Bis hier, und noch weiter, spielen sowohl Anand als auch Topalov sehr schnell. So schnell, dass Klaus Bischoff in der Live-Übertragung aus dem Chess Tigers Training Center die Verweise auf die alten und neueren Hauptvarianten nur andeuten kann. [10...Lg4 ist die "alte" Hauptvariante. Modern war dies in den 50ern ... und vor ein paar Jahren, als in der Variante mit "Bronstein's Qualitätsopfer" neue Ressourcen für Weiß gefunden wurden. 11.f3 cxd4 12.cxd4 Sa5 13.Ld3 Le6 14.d5 Lxa1 15.Dxa1 f6 ist "Bronstein's Qualitätsopfer". Klaus Bischoff weist hier noch auf 16. Dd4 hin, was in den letzten Jahren des öfteren auf Top-Niveau gespielt wurde.]

11.Ld3 b6
Diese Variante wurde in den letzten 3 Jahren populär. Bisher hat sich Weiß daran die Zähne ausgebissen. Da es einige Partiebeispiele aus Topalovs Team gibt, war Anands Mannschaft mit Sicherheit bestens auf das folgende Bauernopfer vorbereitet.

12.Dd2 e5 13.Lh6
Topalov entscheidet sich für ein Bauernopfer, das er früher schon angewendet hat. [13.d5 Hier gefällt Großmeister Bischoff die Überführung des Springers nach d6.]

13...cxd4 14.Lxg7 Kxg7 15.cxd4 exd4 16.Tac1
Erst jetzt weicht "Team Topalov" von seiner bisherigen Spielweise ab. [16.Db2 ist ein Vorschlag von Klaus Bischoff. Fritz12 stimmt zu.; 16.f4 wurde von Topalov und seinem Sekundanten Ivan Chaprinov bereits gespielt. Offensichtlich war Anand vom Verlauf der Partien nicht überzeugt (aus weißer Sicht), auch wenn die Ergebnisse zufriedenstellend waren. 16...f6 17.e5 (17.Tac1 Lg4 18.Sg3 Ld7 19.h4 Tc8 20.Txc8 Lxc8 21.h5 De7 22.De2 Ld7 23.Tc1 Tc8 24.Te1 Tc3 25.e5 f5 26.hxg6 hxg6 27.Dd2 Sc4 28.Lxc4 Txc4 29.Dd3 Dc5 30.e6 Lb5 31.Sh5+ Kh6 32.Dh3 d3+ 33.Kh2 gxh5 34.Dh4 Le8 35.Te5 Df8 36.Dg5+ Kh7 37.Txf5 Dg7 38.Dd8 Tc2 39.Tg5 Dc7 40.Dxd3+ Kh6 41.Df5 1-0 Cheparinov (2687) - Kamsky (2723), Sotschi) 17...Ld7 18.exf6+ Dxf6 19.Sg3 Kh8 20.f5 gxf5 21.Lxf5 Lxf5 22.Txf5 Dd6 23.Taf1 Sc6 24.Se4 De7 25.Dh6 Txf5 26.Txf5 Se5 27.h3 Sg6 28.Th5 Tg8 29.Sf6 Tg7 30.Sxh7 Txh7 31.Dxg6 De3+ 32.Kf1 Dc1+ 33.Kf2 Dd2+ 34.Kg3 De3+ 35.Kh2 Df4+ 36.Kg1 Dc1+ 1/2-1/2 Topalov (2796) - Kamsky (2725), Sofia]

16...Dd6
Hier wählt Anand einen anderen Verteidigungsaufbau als Kamsky. Anand hat bisher sehr schnell gespielt, während Topalov bis ca. zum 20. Zug immerhin etwa 20 Minuten verbrauchte.

17.f4
Als Kompensation für den Bauern hat Weiß Angriffschancen am Königsflügel.

17...f6 18.f5 De5 19.Sf4
Bischoff erläuterte, dass Weiß hier durchaus über ein Qualitätsopfer nachdenken kann. Der Springer stünde großartig auf e6.

19...g5 20.Sh5+ Kg8
[20...Kh8 Der Vorschlag aus dem Publikum. Der König steht hier aber weniger gut als auf g8. 21.h4 h6 22.hxg5 hxg5 23.Tf3 ]

21.h4 h6
[21...gxh4 22.Dh6 ]

22.hxg5 hxg5 23.Tf3
Hier gibt es zum ersten Mal in der Partie Zeit, die verschiedenen Möglichkeiten der Stellung etwas auszuloten. Nach dem Partiezug wird aber schnell klar, dass Figuren- und vielleicht sogar Turmopfer auf f6 oder g5 sehr gefährlich sind. [23.Lc4+ Sxc4 24.Txc4 La6 (24...Ld7 25.Txd4 Le8 ) 25.Tc6 ; 23.Tc2 Ld7 ; 23.Tce1 Kf7 ; 23.Sf4 gxf4 24.Txf4 Tf7 ; 23.Sxf6+ funktioniert hier noch nicht, z.B. 23...Dxf6 24.e5 (24.Tc7 Te8 25.Tf3 ) 24...Dh6 (24...Dxe5 25.Dxg5+ Dg7 26.Dh4 Lb7 ) 25.Tc7 ]

23...Kf7?
Ein Missgeschick, das diese Stellung nicht aushält. Anand hätte zunächst den Damenläufer entwickeln müssen. [23...Lb7 Danach wäre - auf den ersten Blick zumindest - alles in Ordnung bei Schwarz. Sicherlich haben beide diesen Stellungstyp zuhause sehr gut analysiert. Wie auch immer diese Analysen im Detail aussehen mögen: Nach 23...Lb7 hätte die erste Partie erst richtig angefangen. "Auf die Schnelle" sieht der Computer sogar Schwarz im Vorteil. Das ist aber keine verlässliche Information. Weiß hat sicherlich gefährliche Angriffschancen. 24.Tg3 Tac8 (24...Tf7 25.Sxf6+ Dxf6 26.Te1 Te8 ) 25.Sxf6+ (25.Txg5+ fxg5 26.Dxg5+ Kf7 ) 25...Dxf6 26.Te1 Tc5 (26...Tc3 möchte Fritz12 sehen ...) 27.Txg5+ Kf7 28.e5 Txe5 29.Tg6 Txe1+? (29...De7 Fritz12) 30.Dxe1 De7 31.Tg7++- war eine nicht ganz fehler- aber zumindest "Computer"-freie Variante aus der Online-Analyse, die die Gefahren für Schwarz illustriert.; 23...Sb7? 24.Lc4+ ; 23...Ld7!? 24.Tg3 Kf7 ; 23...Tf7 24.Sxf6+ Dxf6 (24...Txf6 25.Dxg5+ ) 25.e5 Dxe5 26.Dxg5++- ]

24.Sxf6!+-
"Hat noch irgend jemand eine Idee?" Der Kommentator blickt hilfesuchend in die Runde. Aber auch die gemeinschaftliche Analyse zeigt keinen Ausweg. Die schwarze Stellung kann nicht verteidigt werden ...

24...Kxf6 25.Th3 Tg8 26.Th6+ Kf7 27.Th7+ Ke8
[27...Kf6 28.Tcc7+- ; 27...Ke8 28.Lb5+ (28.Tcc7 ) 28...Dxb5 29.Dxd4+- ]

28.Tcc7 Kd8 29.Lb5 Dxe4 30.Txc8+!
Topalov hat mit starkem Angriffsspiel seine Chance genutzt und erzwingt den Sieg. Eine kalte Dusche für Anand, der in dieser ersten Partie noch nicht richtig ins Spiel gekommen ist. Die Anand-Fans drücken die Daumen, dass er diese Niederlage gut verdaut und in den nächsten Runden sein Spiel findet. 1-0